Zur mobilen Version

Navigation einblenden

THE BROKEN CIRCLE

Süddeutsche Zeitung, Jürgen Berger, 11.04.2019

In Karlsruhe hat Anna Bergmann jetzt die deutsche Erstaufführung von "The Broken Circle" vorgestellt und macht mit ihrer Inszenierung dort weiter, wo sie letztes Jahr am Deutschen Theater in Berlin ein Ausrufezeichen setzte. Da war sie bereits Schauspieldirektorin in Karlsruhe, hatte in Berlin aber noch die Bühnenadaption von Ingmar Bergmans Filmklassiker "Persona" inszeniert. Die Koproduktion mit dem schwedischen Malmö Stadsteater ist zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen . . . 

Anna Bergmann hat keine Angst vor Pathos, sorgt mit dem Einsatz ganz unterschiedlicher ästhetischer Mittel aber für Brechungen, die ein Abgleiten in den Kitsch verhindern. Das gilt auch für die expressive Frida Österberg, die im Zusammenspiel mit Jannek Petri aus dem Karlsruher Ensemble Facetten eines Paarlebens spielt, das ganz nach oben und von dort in den Abgrund führt. Dass beide hervorragende Sänger sind, versteht sich. Begleitet werden sie von Nathan Bontrager, Clemens, David und Florian Rynkowski. Sie sind die Bluegrass-Band des Abends und liefern den Soundtrack. Anna Bergmann situiert das Paar so, dass man bei Songs wie Ed Bruce' "Mamas Don't Let Your Babies Grow Up to Be Cowboys" spürt: Da herrscht Atemnot. Durchatmen können die nur beim Singen.
Anna Bergmann lotet gnadenlos die Euphorien und Abstürze der Paargeschichte aus, wartet aber auch mit verstörend surrealen Bildern auf. Etwa wenn Frida Österberg wie ein schwarzer Racheengel vom Schnürboden schwebt, dann aber zart und zerbrechlich singt. Österberg ist nicht nur als Sängerin ein Ereignis, sondern auch eine Alabama, die von Euphorie zu Depression taumelt . . .

Frankfurter Rundschau, Judith von Sternburg, 10.04.2019

Auch wer den belgischen Kinofilm aus dem Jahr 2012 nicht kennt – auf ein Theaterstück von Johan Heldenbergh (der im Film eine der beiden Hauptrollen spielt) und Mieke Dobbels –, erfährt sehr bald, was das Leben von Elise und Didier dauerhaft verdunkelt hat. Verdunkelt ist ein zu harmloses Wort dafür, sagen wir also: zerschmettert, vernichtet. Ihr Kind Maybelle ist an Leukämie gestorben, Maybelle und die Eltern haben gekämpft, haben alles versucht, was man versuchen kann, aber es hat nicht gereicht.
In Karlsruhe, in einer in der Tat hochemotionalen, rasend emotionalen und je nach eigener Perspektive auch unerträglich emotionalen Inszenierung von Anna Bergmann, ist Maybelle eine (von Julia Giesbert geführte und gesprochene) Puppe. Eine niedliche, fidele, herumkichernde Puppe. (...)

Hochemotional: Das liegt vor allem an Österberg und an Jannek Petri, Elise und Didier, die sich Alabama und Monroe nennen. Die Schwedin Österberg ist eine ausgebildete Opernsängerin und Schauspielerin. (...) Ihre Bühnenpräsenz ist enorm, ihre Freude in den Rückblenden überbordend, als alles noch in Ordnung, sogar einfach toll war. Die Heirat in Las Vegas, die quietschvergnügte Hochzeitsfeier (...). Österbergs Elise ist maßlos in der Freude, maßlos im Leid. So kann man eine solche Geschichte nicht überleben. Petri, ihr ebenfalls vorzüglich singendes Pendant aus dem Karlsruher Ensemble, ist ein anderer Typ. Nicht direkt verschlossen, immerhin jedoch gefasster (...), neugierig machen beide.

Dazu auf der Rückwand der Konzertbühne (Katharina Faltner) rührende Trickfilmsequenzen vom Glück und vom Unglück (Gregor Dashuber). Dazu vor allem die unwiderstehliche Musik, begleitet von einer sanften, kompetenten Totengräbercombo aus Clemens Rynkowski (Leitung), David und Florian Rynkowski sowie Nathan Bontrager . . .

Badisches Tagblatt, Ute Baumeister, 06.04.2019

Ausgelassen und schrecklich zugleich: Anna Bergmann hat „The Broken Circle" von Johan Heldenbergh und Mieke Dobbels als intimes Drama am Badischen Staatstheater mit zwei herausragenden Darstellern und einer fantastischen Band inszeniert und dafür wieder ganz eigene Bilder gefunden, die berühren und haften bleiben. (...) Mit beeindruckender Stimme meistert die Opernsängerin und Schauspielerin Frida Österberg die Bandbreite aus Wut, Zorn bis hin zu endlos tiefer Trauer, sie schüttelt die ansteckend-fröhlichen Country-Songs aus sich heraus, schwebt als schwarzer Engel von der Decke, schlägt Saltos, klettert aufs Autogerüst, trompetet fröhlich Pipi Langstrumpf auf Schwedisch und ist zwei Stunden lang schlicht großartig sowohl in ihrer Ausgelassenheit als auch am Ende im unüberwindbaren Schmerz: nackt, kahl, verzweifelt.

Jannek Petri steht ihr als singender Country-Gatte in nichts nach. Wunderbar beiläufig erzählt er, wie seine Mutter ihn über die Nicht-Existenz des Weihnachtsmannes aufklärte, feiert ausgelassen ihre Hochzeit (bei der auch Besucher zum Tanz auf die von Katharina Faltner als Konzertraum gestaltete Bühne geholt werden und Schnaps die Runde macht) und spielt den Clown für seine sterbenskranke Tochter mit bitterer Verzweiflung.

Ein echter Coup ist die Idee, die Tochter als Puppe auftauchen zu lassen. Puppenspielerin Julia Giesbert rauscht mit dem Mädchen auf dem Skateboard herum, hängt am Tropf, lacht kurz, hustet lang und ist eine Art Geisterbeschwörerin. Die Live-Band (Nathan Bontrager, Clemens Rynkowski, David Rynkowski, Florian Rynkowski) spielt unter anderem Kontrabass, Mandoline, Banjo, Klavier und das berührungslose, elektronische Theremin. Die Musiker sorgen für starke Emotionen, sei es mit Bluegrass-Country, Punk oder Herzensbrechern wie "If I needed you". Mit der Verschmelzung von Konzert, Theater, Performance und Video, entsteht ein ganzheitliches Kunstwerk, das einen ins Tal der Tränen saugt und doch auch feiern und tanzen lässt. Wie das Leben selbst, ausgelassen und schrecklich zugleich, mittendrin im gebrochenen Kreis . . .

Nachtkritik.de, Elisabeth Maier, 04.04.2019

Katharina Faltners Bühne ist ein leerer Raum, der sich nach und nach mit Träumen füllt. Über den nackten Boden kriecht düstere Depression. Hinten spielt die Bluegrass-Band von Clemens Rynkowski den Song "Will The Circle be Unbroken" von Ada R. Habershon. Da geht es um den Verlust einer geliebten Person. Die drei Brüder Clemens, David und Florian Rynkowski sind weiß geschminkt. Wie eine Totencombo begleiten sie Bergmanns berührende Regiearbeit, die sich deutlich mehr als die erfolgreiche Film-Adaption des Stücks von Felix Van Groeningen, "The Broken Circle Breakdown", auf die Menschen konzentriert, von denen die Geschichte handelt. (...) Anna Bergmanns Regie bremst das filmisch schnelle Tempo der Stückvorlage. Sie konfrontiert die Akteure mit ihren schrecklichen Gefühlen, die sie nicht mehr steuern können. Maybelle, das tote Kind, ist immer dabei. Julia Giesbert führt die Puppe, die lachen, tanzen und spielen kann. Mit Kopfstimme singt die Spielerin, wunderschön. So sieht Familienglück aus, bis dann die tödliche Krankheit kommt, die alles aus der Bahn wirft. Gregor Dashubers Video ist ein kindlich skizzierter Trickfilm. Erinnerungen an die Geburt, an das Leben mit dem geliebten Kind, fließen da ineinander. Heiko Schnurpels brillantes Sound Design lässt die Verzweiflung auch akustisch klaffen. Am Ende bleibt nichts als die Einsamkeit  . . .

Lesen Sie die komplette Kritik hier

Navigation einblenden