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BNN, Isabel Steppeler, 03.04.2017

Am Pult der Badischen Staatskapelle entfacht Johannes Willig einen Orchesterklang, der nicht nur sängerfreundlich zwischen Rausch und Rücksicht changiert. Er macht aus dem Orchester einen eigenen Akteur und lässt mit seidigem Klang die Emotionen von Adriana, der Rivalin und des vergebens liebenden Regisseurs Michonnet nachhaltig zu Herzen gehen. . . . Regisseurin Katharina Thoma macht das Nebeneinander von Schein und Sein, von Bühne und Backstage und damit die Konflikte von Künstlern mithilfe einer Drehbühne geschickt erfahrbar. Den historischen Kontext verankert sie auf einer barocken Guckkastenbühne, wo die Akteure stumm agieren, während andere sich neben den Kulissen vorbereiten oder um ihre Gefühle kreisen . . .
Stärker noch als diese Einfälle ist das durchfühlte Spiel der Darsteller im sensiblen Miteinander aus Gesang und Orchester. Die beliebte Sopranistin Barbara Dobrzanska ist . . . eine mustergültig liebende und leidende Adriana mit fantastischer Mittellage, glutvollen Höhen und vielen Schattierungen. Seung-Gi Jung zeigt sich in der Rolle des Michonnet erneut von seiner besten Seite und sorgt mit fülligem Bariton für Höhepunkte. Hinreißend ist das Timbre von Frederika Brillembourg, die als Fürstin Bouillon mit rundem und reifen Mezzosopran zwischen Verzweiflung und Rachsucht schillert.
. . . Diese Adriana ist erneut eine Wiederentdeckung in Karlsruhe, die sich nicht nur über die wieder einmal ausgezeichneten Ausführungen im Programmheft erschließt, sondern vor allem beim Genuss dieser einzigartigen Klangpracht.

Der Neue Merker, Udo Klebes, 03.04.2017

Reicher Strauß an eingängigen Melodien

. . . gibt Dobrzanska den deklamierenden Passagen, vor allem dem als Rachewerkzeug zur Bloßstellung ihrer Liebes-Rivalin Fürstin von Bouillon dienenden Phädra-Monolog von Racine einen wohltuend pathosfreien, wie aus einer trockenen Singstimme geborenen Tonfall von überzeugender Größe. Bruchlos gleitet sie wieder in ihren klangreichen, dynamisch perfekt ausbalancierten, in allen Lagen ideal sitzenden, frei geführten und in den Forte-Höhen üppig und tonschön strömenden Sopran, der sogleich bei ihrem Auftrittsbekenntnis mit dem erhebend durch den Raum flutenden langen An- und Abschwellen der Schlussphrase von erhebender Wirkung ist. (…) Die in die Gegenwart versetzte Handlung stört im Übrigen vor allem deshalb nicht, weil die Personenregie wohltuend ungestelzt, in den komödiantischen Momenten mit den Schauspieler-Kollegen spritzig und in der Konfrontation der Rivalinnen durchweg spannend angelegt ist. Dabei ist die Fürstin Bouillon mal nicht als Giftschleuder mit brustig orgelndem Tonfall gezeichnet, sondern als empfindsame, von Ehrgeiz getriebene Frau, die um ihre Liebe kämpft, auch mit optischen Reizen, wie sie die Amerikanerin Fredrika Brillembourg in aparten Kleidern sowie mit feinfühligem Mezzosopran mit organisch ausgeformter Tiefe, feiner Mittellage und einem nur in den Spitzen etwas angestrengt wirkenden Höhenregister zu bieten hat. (…) So wie die Titelrollensängerin hat sich auch Dirigent Johannes Willig in die Auslotung der überaus tonmalerischen Anlage des Komponisten hinein gekniet, so präzise und klar aufgeschlüsselt wie auch mit Hingabe seitens der Badischen Staatskapelle ausgekostet entfaltete sich die mit Leitmotiven immer wieder kammermusikalisch aufgeschlüsselte Musik. (…) Diese spürbare Liebe zur Musik fand ihren Höhepunkt in den wehmütig ausgespannten Streicherpanoramen des Schlussaktes, wo selbst dem letzten sanft verklingenden Harfenton noch eine besonders delikate Note gegeben wurde. Ein Jubelsturm empfing Barbara Dobrzanska vor dem prachtvoll rotgoldenen Bühnenvorhang, ehe auch die weiteren Hauptrollenträger und Dirigent und Orchester in die Ovationen einbezogen wurden. 

Badisches Tagblatt, Thomas Weiss, 03.04.2017

Dafür hat ihr Dirk Becker eine wandelbare Bühne geschaffen, die das Theatermilieu ebenso impliziert wie sie den passenden Rahmen für das opulente Opern-Fest bildet. Opulent sind auch die Kostüme von Irina Becker geraten, die die Fürstin von Bouillon, Rivalin von Adriana Lecouvreur, zu einer wahren Augenweide machen . . .
Ein Verdienst der Inszenierung von Thoma ist auf jeden Fall, die oft vernachlässigten komischen Elemente des Parlando-Stückes mehr in den Vordergrund gerückt zu haben . . . Es sind die beachtlichen Sängerleistungen, die, teilweise durch eine genaue Personenführung unterstützt, den Großteil des Premierenerfolgs ausmachen. Barbara Dobrzanska entwickelt die Figur der großen Schauspielerin mit ihrer ganzen Erfahrung . . .
Fredrika Brillembourg als Fürstin wird nicht nur durch ihre Bühnenerscheinung zu einer Rivalin . . . Maurizio wird von dem Tenor Rodrigo Porras Garulo mit tragfähiger Mittellage und strahlenden Spitzentönen versehen. Ein überzeugendes Rollenporträt bietet auch Konstantin Gorny als Fürst ebenso wie Klaus Schneider, der als Abbé mit gestalterischer Finesse aufwarten kann.

Die Rheinpfalz, Karl Georg Berg, 04.04.2017

Nicht zuletzt dank der eindringlichen Darstellung von Barbara Dobrzanska wird das Finale zu einer starken Szene . . . Rodrigo Porras Garulo gibt den Maurizio mit klangvollem Tenor, Fredrika Brillembourg als Fürstin findet mit Furor und differenziert eingesetzten stimmlichen Mitteln zu einem pointierten Rollenporträt. Als Michonnet überzeugt Seung-Gi Jung mit einem wandungsfähigen Bariton und lebendigem Spiel. Klaus Schneider als Abbé und Konstantin Gorny als Fürst liefern prägnant gezeichnete Typen. Versiert sind auch die kleineren Partien besetzt und agiert der Chor. „Adriana Lecouvreur“ ist eine Oper, in der neben dramatischen Konfrontationen und belebter Konversation vor allem spezifische Stimmungen eine tragende Rolle spielen. Für diese sorgt nicht zuletzt ein farbenreicher und manchmal geradezu impressionistischer Orchesterpart. Johannes Willig bringt gerade diese Qualität der Musik am Pult der nobel und weich spielenden Badischen Staatskapelle ideal zur Wirkung . . . Das Premierenpublikum war von der Wiederbegegnung mit dieser Oper angetan und spendete begeisterten Beifall.

O-Ton, Michael Kaminski, 04.04.2017

Während in Cilèas musikdramatischer Faktur das Orchester Leitmotive entfaltet und verknüpft, dürfen die Sänger in Kantilenen schwelgen, die sich deutlich aus des Komponisten neapolitanischer Herkunft speisen. Katharina Thoma kontrastiert die Spielweise der Hohen Tragödie des 18. Jahrhunderts mit heutigen Situationen hinter und jenseits der Bühne . . .
Dirk Beckers Bühne teilt die Szene in eine Barockkulisse, für die der Malersaal ganze Arbeit geleistet hat, und Gegenwart signalisierende Umgebungsräume . . . Irina Bartels kleidet die Akteure der Barockbühne so, wie zeitgenössische Stichwerke es zeigen. Die Fürstin Bouillon hingegen trägt beim Bühnenball eine tiefblaue Robe, die auf jedem Laufsteg reüssieren würde. Die Choreografie von Héléne Verry zeigt, wie stark tänzerische Elemente die historische Aufführungspraxis der Hohen Tragödie prägten . . .
Wenn eine Tragödin vom Rang Barbara Dobrzanskas zum Ensemble zählt, besteht aller Grund, Adriana anzusetzen. Ob als emphatisch Liebende oder die Kunst hymnisch Preisende, Verismo und Noblesse vereinend, umreißt Dobrzanska ihre Partie mit straffer Kontur. Die Agonie der Heroine gestaltet sie zum Liebestod aus dem Geist der Italianità. Rodrigo Porras Garulo nimmt mit einer nicht oft zu hörenden Pianokultur für sich ein. Fredrika Brillembourgs Fürstin tönt, noch wenn sie von Eifersucht überwältigt wird, substantiell warm und strahlkräftig. Konstantin Gorny als ihr auf Liebesabenteuer mit Schauspielerinnen erpichter Gemahl renommiert mit basssatter Jovialität, hinter der die brutale Pranke lauert. Der zweifelhafte und durchtriebene Abbé Chazeuil von Klaus Schneider als Kreatur an seiner Seite schmeichelt sich, wie es die Situation gerade erfordert, tenoral ein oder setzt auf schneidend zynische Invektive. Seung-Gi Jung liefert als der still, bescheiden, loyal und heimlich Adriana liebende Spielleiter der Comédie-Française Michonnet ein berührendes Rollenporträt voll Lyrik, Lebensklugheit und gezügelter Leidenschaft, bei der indessen kein Zweifel besteht, zu welchen Ausbrüchen sie fähig ist. Cameron Becker, Tiny Peters, Kristina Stanek und Yang Xu setzen gekonnte Akzente, um das Theatermilieu glaubhaft zu zeichnen. Tosende, nicht zu steigernde Ovationen für Barbara Dobrzanska. Beifallstürme auch für alle übrigen Akteure, in die das Team um Katharina Thoma einbezogen wird.

Pamina-Magazin, Christine Gehringer, 05.04.2017

Hinreißend spielt Barbara Dobrzanska das; ihre Adriana Lecouvreur hat menschliche Tiefe, Nuancen, viel Anrührendes, und stimmlich überzeugt sie restlos . . . so andächtig erlebt man diese Arie selten . . . Als Barbara Dobrzanska am Ende vor den Bühnenvorhang tritt und – nun ganz real – den enthusiastischen Jubel des Karlsruher Publikums entgegen nimmt, da scheint es, als gehöre das noch zum Stück . . .
Das war ein grandioser Abend. Neben der Hauptdarstellerin ist er vor allem der Badischen Staatskapelle unter Johannes Willig zu verdanken: Sie treibt die Szenen munter voran und kostet gemeinsam mit den Sängern den Moment aus (vor allem im vierten Akt, wo förmlich die Zeit stehen bleibt); sie lenkt den Blick auf die Leitmotive, klingt im einen Augenblick pastos, fächert den Klang danach auf in blumig-zarte Farben. Die Regie greift das Tempo der Szenen punktgenau auf . . . Im Bühnenraum von Dirk Becker laufen die Bilder parallel, und die Drehbühne erlaubt sozusagen abrupte Kameraschwenks zwischen dem Rokoko-Theater der „Comédie-Francaise“ und dem Leben der Schauspieler hinter den Kulissen . . . Das Regieteam nahm den „Verismo“ wörtlich; die Szenen sind so detailliert und lebensecht, dass beim leidenschaftlichen Duett sogar die Inspizientin mit einem „Psssst“ einschreitet – die beiden könnten ja mit ihrem Gesang das Bühnengeschehen stören . . . Anrührend zeichnet Seung-Gi Jung die Figur des Abendspielleiters Michonnet, der unglücklich in Adriana verliebt ist. Fazit: empfehlenswert!

Der Opernfreund, Jochen Rüth, 08.04.2017

Die Bühne auf der Bühne darzustellen, ist wohl eine besondere Gelegenheit, mit verschiedenen Ebenen zu spielen, so dass es durchaus schlüssig scheint, dass die Handlung ins Hier und Heute verlegt wurde, das dargebotene Theater im Theater aber ein antikes Stück präsentiert, für das Irina Bartels hinreißende historische Kostüme geschneidert hat . . . Avtandil Kaspeli ist ein imposanter Fürst von Bouillon, der Abt von Chazeuil von Kammersänger Klaus Schneider kommt unterwürfig-schmierig daher. Agnieszka Tomaszewska, Ariana Lucas, Nando Zickgraf und Opernstudio-Mitglied Hakan Çiftçioglu ergänzen sich und das Ensemble als Komödiantentruppe perfekt mit viel Spielwitz.

Das Ballett „Das Urteil des Paris“ ist dankenswerterweise in Karlsruhe einmal nicht gestrichen und wird als stimmungsvolles, von Hélène Verry choreografiertes Schattenspiel gegeben. Dadurch hat auch der Badische Staatsopernchor unter der Leitung von Ulrich Wagner ordentlich zu tun und macht seine Sache gut. Im Graben zeigt Johannes Willig einen schwungvollen Cilèa und präsentiert den reichen Strauß an eingängigen Melodien voller Verve und Leidenschaft. Das Publikum im vollbesetzten Haus ist begeistert, applaudiert allen Beteiligten und spart nicht mit „Bravo“-Rufen.

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